Schüler:innen der 1B Mechanik der sonderpädagogischen Bildungseinrichtung EREA (établissement régional d’enseignement adapté) Henri Ebel in Illkirch-Graffenstaden unter der Leitung von Madame Mougenot und dem engagierten Lehrer Stéphane Pir beschäftigen sich mit den Schicksalen der „Malgré-Nous“.
Stéphane Pir pflegt den Kontakt zu den inzwischen um die 100 Jahre alten Zeitzeugen. Sie leben im Altersheim und haben ihm und den Jugendlichen über ihre Lebenserfahrungen berichtet und Material zur Verfügung gestellt.
„Man kann sich nicht vorstellen, wie dieses Hin und Her zwischen den Ländern gewesen sein muss“, sagt ein Schüler zu Beginn des Storyboard-Telling-Workshops. Der Schüler zeichnet gerne, hat aber Schwierigkeiten zu schreiben. Andere Schüler sprechen nur sehr wenig französisch und Frau Butsch kümmert sich ausgiebig um die Einzelnen. Ein Junge aus Afghanistan überlegt lange und möchte den Zeitzeugen fragen, warum er nach dem Schrecken des Krieges und seinen Erfahrungen nur ein Kind habe. Jeder Jugendliche macht sich auf den Weg. Ein Junge mit Entwicklungsverzögerung möchte mehr über das Leben an der Front wissen: „Wie fühlt sich das an, wenn man von den Deutschen zwangseingezogen wurde, an der Front ist, aber die deutsche Sprache nicht spricht?“. Ein anderer Junge mit der Diagnose Autismus zeichnet still vor sich hin.
„Ich bin wahnsinnig beeindruckt von den Schüler:innen“, sagt Sandra Butsch. Die Arbeitsatmosphäre ist sehr dicht und doch ganz anders als in anderen Schulklassen. „Man hat den Eindruck, niemand macht hier „nur“ seinen Job. Die Schüler:innen nehmen alles wichtig. Auch das Zeichnen selbst hat Bedeutung und nimmt Raum ein, auch wenn man immer wieder auf das Thema zu sprechen kommen muss.“, fährt sie fort.
Als Monsieur Prince, der Zeitzeuge, so alt war wie die Schüler:innen heute, hat er bereits in der Fabrik gearbeitet. Geboren 1925 hat er die deutsche Schule im Elsass nie besucht und sprach auch als er von den Deutschen in den Krieg eingezogen wurde kein Deutsch. Sein Vater hingegen kämpfte während des Ersten Weltkrieges auf der Seite der Deutschen. So kompliziert kann Geschichte sein.
Monsieur Prince wurde zur Minenräumung an der ursprünglichen Grenze zwischen Deutschland und Polen eingesetzt – eine gefährliche Arbeit. Sein Knie wurde schwer verletzt, aber er sollte weiterarbeiten. Zum Glück begegnete ihm ein Arzt, der 17 Jahre lang in Frankreich gearbeitet hatte. Er half ihm und so bekam er die Genehmigung zur Regeneration nach Straßburg reisen zu dürfen. Er tauchte unter und gelangte zum Haus seiner Eltern. Dort versteckte ihn sein Vater im Heuschuppen bis der Krieg endete.
Nicht jeder hatte so viel Glück, im Gegenteil.
Es wird geschätzt, dass von den 130 000 eingezogenen Elsässern und Moselanern mindestens 35 000 gefallen, 10 500 vermisst sind und 32 000 verwundet wurden. Die Elsässer dienten als „Kanonenfutter“ für eine fremde Sache. So auch der Großvater von Igor Futterer.