Theaterstück von Igor Futterer in Illkirch
„Der Storch hat nur einen Kopf“ von Igor Futterer
Die Frage, die Igor Futterer stellt, lautet: Wer stirbt schon gerne für Deutschland?
Igor Futterer ist Dramaturg, Regisseur und Schauspieler. Er lebt heute in der Normandie. Im Interview mit Sandra Butsch berichtet er über die Motivation, historische Themen auf die Bühne zu bringen. Elsass stämmig musste Futterer mit zwölf Jahren nach Paris ziehen: „Ich habe damals festgestellt, dass ich nicht als Franzose wahrgenommen werde. Und da fing ich an, zu schreiben. Im Laufe der Zeit ergab sich dadurch, wenn man so will, Identifikation durch Inszenierung. Der Begriff der „Heimat“ ließ mich von da an nicht mehr los.“
Seit 2017 arbeitet er intensiv mit Jugendlichen. Er möchte die Erinnerung und die Erfahrung weitergeben: „Für mich ist das Theater ein demokratischer Ort. Es braucht gesellschaftliche Teilhabe und Partizipation, die auf der Bühne geübt und eingenommen werden kann. Theater ist für mich Bildung.“
So wurde er von der Leitung Madame Mougenot und dem Lehrer Stéphane Pir der sonderpädagogischen Bildungseinrichtung EREA (établissement d’enseignement adapté) in Illkirch-Grafenstaden zur Theaterarbeit mit den Jugendlichen eingeladen. Stéphane Pir arbeitet mit Sandra Butsch zum Storyboard-Telling des Projektes „Brücke für die Zukunft“ des Blauen Hauses Breisach (zu dem Beitrag). Der engagierte Lehrer arbeitet seit einigen Jahren zu den Biografien der „Malgré-Nous“. Stéphane Pir pflegt regen Kontakt zu den Zeitzeugen und vermittelt die Geschichte im Elsass.
Das Stück von Igor Futterer, welches im Mittelpunkt des einwöchigen Theater-Workshops steht, basiert auf teilweise realen Vorfällen. Es ist die Geschichte vom elsässischen „Malgré-Nous“ Joseph Kopp. Die Hauptperson des Stückes ist inspiriert durch den Igors Großvater mütterlicherseits.
Gegen seinen Willen wird dieser wie alle Elsässer 1940 zurückgermanisiert und 1942, in die Wehrmachtsuniform gesteckt. Das Stück zeigt ein differenziertes Bild davon, wie man im Elsass auf die wiederholte Heimführung ins Reich reagierte. Das Spektrum reicht vom enthusiastischen Kollaborateur über den gefühlskalten Notar mit großem Diensteifer bis zum hitzigen Rebellen. Die Hauptfigur ist der Notars-Gehilfe Joseph, der manchmal „nein“ sagt und meistens jedoch „ja“. Als seiner Frau die Sippenstrafe droht, gibt er sich dazu her, die Einwohner eines russischen Dorfes zu töten. Er kommt in ein russisches Lager und kommt darin selbst um.
„Das Stück ist repräsentativ für den Weg zwischen Résistance und Kollaboration der Elsässer, der sich zu oft auf russischen Feldern verlor“, so Igor Futterer.
Am Ende der Woche ist dann die große Aufführung in der Schule. Vetreter:innen verschiedener staatlicher und regionaler Institutionen, Personen mit Engagement und Ehrentiteln, sowie natürlich viele Schüler:innen, Eltern und die Schulgemeinschaft sind anwesend. Man spürt deutlich: Das Thema interessiert und emotionalisiert. Ein Schüler sagt am Ende zu Sandra Butsch: „Zu Hause sprechen wir nicht viel über das Thema. Ich weiß eigentlich nichts über meine Familie in der Zeit. Ich fand das Stück von Herrn Futterer und die Biografiearbeit mit Ihnen und Herrn Pir wahnsinnig interessant und wichtig.“